Freiheit – das ist für die meisten Menschen ein sehr individueller Begriff und für einige davon stellt ein puristischer Sportwagen dessen idealer Begleiter – im besten Falle der Porsche 718 Spyder.
Als Roadster konzipiert, mit Saugmotor samt manuellem Getriebe bestückt und einem Verdeck, das mit Muskelkraft bedient wird, rollte das Fahrzeug auf unser Terrain. Zeit für einen Test.
Hommage an vergangene Tage
Ein Fahrzeug, herrlich analog und frei von Allüren, so wünschen sich viele einen sportiven Begleiter. Dabei spielt er auch optisch in einer sehr exponiert stehenden Liga. Symmetrie schien hier oberste Maxime gewesen zu sein und so präsentiert sich besonders der Abschluss im Sinne des Heritage.
Beginnen wir bei der Front. Ein Boxster sondergleichen, der mit selbigem nicht mehr viel gemein hat. Fast martialisch dreinblickend, aus schwarzen Bi-Xenon-Scheinwerfern und mit üppigen Lufteinlässen bestückt – so zeigt sich uns das Testfahrzeug auf den ersten Blick.
Dabei scheint er die Luft förmlich zu genießen, die zentral positionierte Ablauföffnung ist ein weiteres USP des Spyder. Damit auch die Liebe zum Detail nicht außen vor bleibt, gibt es unten im Bugteil einen geprägten „Spyder“ Schriftzug sowie eine in Schwarz Seidenmatt lackierte Scheinwerfer-Reinigungsanlage.
Wirft man einen Blick auf die Seitenpartie, offeriert der Zuffenhausener Pocket Racer eine gleichermaßen anmutige wie dynamische Silhouette. Die Front kauert zugunsten der Aerodynamik förmlich auf dem Asphalt, während die zwei Streamliner an die legendären Speedster-Modelle erinnern. Der markante Heckspoiler bildet gekonnt den Abschluss und unter den schwarzen 20-Zoll-Rädern blitzen die gelben Bremssättel der Carbon-Keramik-Bremse hervor.
Am Heck erwartet den Betrachter ein markanter Abschluss, welcher von einer formschön integrierten Abgasanlage pointiert wird. Dunkel eingefärbte Heckleuchten gehörten hier zum Standardumfang sowie der ebenfalls in schwarz ausgeführte Modellschriftzug.
Hier geht es nicht um Komfort. Hier geht es um Leidenschaft, Fahrfreude und Purismus.
Im Inneren erwarten Fahrer und Beifahrer Vollschalensitze, die zwar wenig Komfort, dafür aber besten Halt in allen Situationen offerieren. Die Fahrerhände ergreifen ein Volant mit Alcantara-Bezug und der gesamte Innenraum gelang durch und durch aufgeräumt. Ablenkung? Ist hier kaum möglich.
Lediglich ein Zentralbildschirm steht bereit, um gewisse Entertainmenteigenschaften nicht außer Acht zu lassen. So lässt sich das Smartphone koppeln, Radio hören oder per Routenführung der gewünschte Zielort auffinden. Auch ein Tempomat ist hier an Bord. Alle weiteren Tasten sind Fahrfunktionen vorbehalten.
Wie ein Uhrwerk
Das Erlebnis beginnt, sobald der Schlüssel links vom Lenkrad gedreht wird. Es erwacht ein kerniges Aggregat – kehlig-röhrend – mit dem Bestreben, dem Fahrer den Tag zu versüßen.
Hier verrichtet kein Vierzylinder seine Arbeit, Downsizing ist diesem Roadster fremd. Vier Liter Hubraum, sechs Zylinder und 420 PS sind die Zutaten für einen stürmischen Cocktail, der bei Kennern schon auf dem Papier für Gänsehaut sorgt. Der Porsche 718 Spyder stellt sein maximales Drehmoment von 420 Newtonmetern zwischen 5.000 und 6.800 Umdrehungen pro Minute bereit – typisch Saugmotor.
Die Maximalleistung steht gar erst bei 7.600 Umdrehungen zur Verfügung. Diese Werte geben der sportlich betuchten Klientel einen Ausblick auf die artgerechte Bewegung dieses Sportwagens. Natürlich kann man auch untertourig fahren, aber möchte man dies wirklich?
Spätestens nach den ersten Gangwechsels mittels des verkürzten Schalthebels der manuellen Sechsgang-Box legt man diese Überlegung ad acta. Der Heckantrieb stellt eine weitere, hervorragend harmonierende Ingredienz für dieses Zuffenhausener Präzisionswerkzeug dar.
Dass wir darüber hinaus nicht von einem Softie sprechen, geht auf das Konto des Porsche Active Suspension Managements – kurz PASM – welches in diesem Falle mit einer sportlichen Abstimmung und einer Tieferlegung um 30 Millimeter aufwartet. Wird die entsprechende Taste in der Mittelkonsole gedrückt, wechselt das Fahrwerk von hart auf bretthart.
Die an unserem Testwagen verbauten Porsche Ceramic Composite Brake – kurz PCCB – verzögerte erwartungsgemäß brachial, doch möchten wir an dieser Stelle anmerken, dass sicherlich auch die Standardbremse mit sechs Kolben vorne und 380-Millimeter-Scheiben ringsum alles andere als unterdimensioniert sein dürfte.
Das Fahrverhalten zu beschreiben, ist im Falle des Porsche 718 Spyder recht simpel. Im Wesentlichen zumindest. Der Rennsporttechnik ist ab dem ersten Meter omnipräsent, das Fahrzeug ist enorm agil und wendig, brilliert durch süße Track-Harmonie und zeigte zu keinem Zeitpunkt einen Anflug von Schwäche.
In 4,4 Sekunden sprintet der Spyder aus dem Stand auf 100 km/h und rennt bis maximal 301 Stundenkilometer – damit ist er der erste „Boxster“, der die magische 300-km/h-Marke knackt.
Erwähnenswert ist darüber hinaus die Taste mit dem Auto Blip Schriftzug. Ist diese aktiviert, gibt das Fahrzeug in Eigenregie Zwischengas – für ungeübte Piloten ein ideales Feature.
Das Verdeck des Porsche 718 Spyder ist derweil ein weiteres, antagonistisches Überbleibsel, auf welches man bei diesem Fahrzeug bewusst gesetzt hat. Vollelektrisch kann doch jeder und so geht es auch hier angenehm analog zur Sache. Die Reihenfolge muss dabei strikt eingehalten werden.
Zunächst wird das Verdeck elektrisch entriegelt; im Anschluss werden die Druckschalter an den Finnen – nachdem man sie ertastet hat – gelöst und um 180 Grad gedreht. Der Kofferraum wird nun geöffnet und das Dach von Hand im Verdeckkasten verstaut. Kofferraum schließen und fertig ist der Roadster. Nach etwas Übung konnten auch wir in unter zwei Minuten diesen Vorgang bewerkstelligen. Doch der Spaß an der Sache, die Arbeit am Fahrzeug hat definitiv etwas für sich.
Die Einbindung des Fahrers steht hier im Zentrum; nichts und niemand kann sich dieser Achterbahnfahrt entziehen.
Mit diesem Zitat ist das einnehmende Wesen des 718 Spyder recht treffend beschrieben. Es gibt nicht viele Fahrzeuge, die so pur, so direkt und so ehrlich sind. Hinzu kommt das Mittelmotorkonzept, welches im Grenzbereich eine kundige Hand verlangt. So etwas kennt man unter anderem aus dem Audi R8 Spyder, den wir ebenfalls zu einem Rendezvous baten. In Summe ergibt sich hier ein Fahrspaßgarant oberster Güte und ohne Zusatzstoffe.
Ein wenig Luxus darf es sein
Selbstverständlich darf auch beim Porsche 718 Spyder auch ein Mindestmaß an Luxus nicht fehlen. Zwar spielt diese Komponente keine primäre Rolle, dennoch gibt es einige Features, die man gern dazu buchen kann.
Die Vollschalensitze sind für den rennsportaffinen Kunden erste Wahl. Wer es hingegen ein wenig komfortabler wünscht, kann auch auf die weniger engen und etwas bequemeren Sportsitze zurückgreifen.
Das DAB+ wird auch beim 718 Spyder extra berechnet, genau wie Apple CarPlay und die Navigationseinheit samt Porsche Connect. Wir halten dies dennoch für eine nicht unwichtige Option, je nach präferiertem Einsatzzweck.
Die Zweizonen-Klimaautomatik verrichtete zugfrei ihren Dienst und ist ebenfalls eine Überlegung wert. Wer hingegen lieber den Fahrtwind genießt und ohnehin überwiegend offen fährt, kann das Kreuz bei dieser Ausstattung getrost auslassen.
Nicht weniger relevant sind die Parksensoren hinten, die bei geschlossenem Verdeck versteckten Hindernissen den Schrecken nehmen. Eine Rückfahrkamera wäre an dieser Stelle eine Erweiterung und bei Nutzung im Stadtverkehr eine sinnvolle Option.
Ein Lob möchten wir darüber hinaus den scheidenden Bi-Xenon-Scheinwerfern aussprechen. Scheidend deshalb, weil zunehmend LED-Technik in die Porsche-Modelle Einzug hält und die Gasentladungstechnik nach und nach verdrängt. Dennoch haben diese ihre Daseinsberechtigung und konnten bei unseren Nachtfahrten stets mit einem hellen und homogenen Lichtbild aufwarten.
Fazit zum Porsche 718 Spyder
Braucht man ihn? Nein. Aber viel mehr Passion in einem kompakten Roadster-Dress kann man kaum erwarten. Der Modell-Claim ist hier mehr als passend und so präsentierte sich der Porsche 718 Spyder als puristischer Sportwagen erster Klasse, welcher bei einer fahraktiven Klientel durch und durch auf Akzeptanz stoßen dürfte.
Vielmehr erwirbt der Kunde nicht nur ein Fahrzeug sondern ein Lebensgefühl. Frei von gesellschaftlichen Zwängen, nicht etwaigen Assistenzsystemen unterworfen und mit jeder Menge Saugmotor-Power katapultiert sich einer der letzten echten Sportwagen in eine Liga, von der unsicher ist, ob sie noch lange überleben wird.
Wir finden, dass dieses Fahrzeuge in jene Garagen gehören, deren Besitzer einen Faible fürs echte Autofahren haben. Grob, roh und ehrlich – Luxus mal ganz anders.
Fotografien: FYLE
Kamera: Canon EOS 6D